Stolpersteinverlegung für Familie Rosenbach

Grußwort von Pastor Dr. Lennart Berndt am 31. August 2024 vor der Thadenstraße 79.

Ich stehe hier für die evangelische Kirchengemeinde. Wir haben uns am Stolperstein für Josef beteiligt. Josef kam am selben Tag wie seine Mutter am 23. März 1944 ums Leben, er wurde vier Jahre alt. Dieser Satz geht einem durch Mark und Bein.

Gerade auch nach Ihren persönlichen Berichten als Angehörige mag man angesichts des Schreckens eigentlich nur schweigen. Weil kein Wort greift angesichts dieser Massendeportation, derer wir in diesem Jahr 80 Jahre später noch mal besonders gedenken. Schweigen angesichts des Schreckens ist das eine. Wir tun das in der Kirche im Gebet, in der Kontemplation. Aber wir sprechen auch und gehen in Aktion. Das gehört für uns zusammen, denn wir als Zivilgesellschaft, zu der wir uns als evangelische Kirche zählen, müssen unseren Mund öffnen und laut sein gegen den neuen Rassismus, der um sich schlägt. Und wir brauchen Zeichen, Gedenkorte. Daher haben wir nach deiner Anfrage, Holger, nicht gezögert, uns an diesen Stolpersteinen für die Familie Rosenbach zu beteiligen.

Ich stehe hier heute das zweite Mal in diesem Jahr bei einer nachbarschaftlichen Gedenkveranstaltung. Damals im April habe ich darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig das gemeinsame Gedenken im Nahbereich ist. Herzlichen Dank auch heute dir, Holger, dass du dieses Gedenken bei uns im Viertel wachhältst.

Damals, im April war der 1. September, der Wahltag in Sachsen und Thüringen noch weit weg. Auf diesen Wahltag schauen vielen von uns mit Sorge, zumindest die, denen etwas an unserer Demokratie und an unserem Land liegt. Wir können hier aus Hamburg, wo wir zum Glück eine ganz andere politische Tektonik haben, bequem auf die im Osten zeigen. Aber so bequem ist es auch hier bei uns nicht. Die Einladung zu dieser Veranstaltung wurde mehrfach entfernt. Und nach Solingen wird Trauer mit Hass verwechselt, was ich angesichts der menschlichen Schicksale in Solingen geschmacklos finde.

Ich mag mein Land. Sehr sogar. So gerne, dass ich es behalten möchte. Mit all seinen Widersprüchen, Ungereimtheiten, seiner Vielfalt, seinen Lebensentwürfen, mit seiner Unperfektheit. Und ich mag die Menschen, die dafür eintreten, dieses Land wirklich besser und gerechter zu machen. Lasst uns nicht bequem mit dem Finger auf Sachsen zeigen, sondern hier beginnen, für Vielfalt einzutreten. Die Stolpersteine sind genau dafür da: dass wir über Unrecht und Rassismus stolpern, innehalten, unseren Mund öffnen, Zeichen setzen.
Vielen Dank!

Lennart Berndt

Kontakt

Pastor Dr. Lennart Berndt
Telefon: 040 - 430 0431
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