Costa Rica und Kuba - ein Reisebericht

Die Nordkirche ermöglicht Pastorinnen und Pastoren, ein dreimonatiges Sabbatical zu beantragen, das der „geistigen und körperlichen Revitalisierung“ dienen soll.

Bei der Beantragung musste ich nicht lange überlegen, wie ich beide Dimensionen miteinander verbinden kann: Für das Erstgenannte wollte ich mein Spanisch auffrischen, und meinem Körper tut leichte Bewegung an frischer Luft gut. Als Student bin ich den Jakobsweg gewandert, und überhaupt trage ich meine Wanderreisen besonders im Herzen. Also wollte ich im spanischsprechenden Ausland wandern. Und da mir viel Zeit zur Verfügung stand, wollte ich die Chance nutzen, dieses Vorhaben an weit entfernten und mir bisher unbekannten Orten umzusetzen. Das Resultat meiner Planungen war dann eine Wanderung durch Costa Rica, die mich in 16 Tagen 300 Kilometer von der karibischen bis zur pazifischen Küste geführt hat, sowie eine Fahrradtour durch Kuba. Beide Länder sind im Hinblick auf die wirtschaftlichen Bedingungen und die politische Prägung sehr unterschiedlich, und doch verbindet die spanische Sprache und der ähnliche Kulturkreis diese beiden Länder Mittelamerikas.

Costa Rica hat mich vor allem durch seine Natur beeindruckt. Mehr als ein Drittel der Fläche des Landes, das in etwa so groß wie Niedersachsen ist, ist geschützt durch Nationalparks. Wir wanderten durch karibische Strandabschnitte, Regenwälder, Kaffeeplantagen, Berge, grüne Wiesen …, bis sich dann der Pazifik am Horizont auftat. Das war ergreifend. Ich habe Faultiere, Wasserschildkröten und Kolibris gesehen. Unvergesslich.

Auch die menschlichen Begegnungen waren schön dort. Viele Menschen machen einen entspannten und zufriedenen Eindruck. Pura vida - das pure Leben! - ruft man sich in Costa Rica zur Begrüßung und zur Verabschiedung zu. Das ist das, was wir in der Kirche das „Leben in Fülle“ nennen. Dieses an Naturschönheiten reiche Land scheint diesem Leben in Fülle nahezukommen. Kuba ist da komplexer, aber nicht minder schön. Ich habe es in mein Herz geschlossen, vielleicht gerade weil es das Reisen nicht so einfach macht.

Einen Einblick meiner Eindrücke möchte ich hier anhand zweier Reisetagebucheinträge mit Euch und Ihnen teilen. Der eine stammt von meinen ersten Tagen in Kuba, während ich den anderen am letzten Abend nach vier Wochen im Land geschrieben habe:

„Wie schmeckt Kuba?“, wurde ich gefragt. Für einen Touristen definitiv nach Rum und Sonne, nach Fisch und Hummer, nach Espresso und Zigarren. Insofern stimmen schon mal die Basic-Klischees mit der Realität überein. Es riecht aber auch nach grünlichem Schweinefleisch, bei dessen Anblick sich mir der Magen umdreht. Und es schmeckt nach Mangel. Ganz einfach, weil er so sehr präsent ist. Dem Land geht es so schlecht wie seit über dreißig Jahren nicht mehr. Und ich spüre das überall auf den Straßen. Auch in den Dörfern. Die Menschen lassen sich ihre Freude nicht nehmen. Wir sind in den Tropen. Sonne und Salsa wenden den bitteren Beigeschmack ab. Und doch legt sich Armut wie Mehltau über das Land. Zu Kuba gehört aber auf alle Fälle auch die marode Schönheit der Bauwerke. Ich hätte als Europäer nicht gedacht, dass es in Amerika eine so alte und reichhaltige Architektur gibt. Da ist Costa Rica Lichtjahre von entfernt. Allerdings ist kaum ein Haus renoviert. Und zum Schluss sei noch erwähnt, dass auch der Geruch nach Seife zum Geschmack des Landes gehört. Bisher war jede private Unterkunft picobello sauber. Auch die Menschen sind sehr gepflegt und geben auf sich Acht. So als könne man sich die Armut des Landes abwaschen wie den Schmutz der Straße. Ich verstehe das gut.
 
Ach Kuba! Am Anfang habe ich mich etwas vor dir erschrocken. Und jetzt bist du wahrscheinlich die größte Entdeckung meiner ganzen Reise (die ich niemals auf einen Nenner bekommen werde). Der stundenlange Stromausfall in der ganzen Stadt an meinem letzten Abend passt zu dir. Genauso wie die ganzen Kerzen und Stirnlampen und Feuer, die überall auftauchen. Immer und überall improvisierst du und lässt die ganze Misere von Musik und von anmutigen Tänzen begleiten, die das Leben leichter machen. Davon könnten wir in Deutschland etwas lernen. Wir bleiben ja oft beim Meckern stecken.

Deine Städte sind wunderschön, deine Armut macht mich wütend. Die Parolen auf deinen Straßen und Häusern sind sozialromantisch, und es wäre schön, wenn sie stimmten. Trotzdem ist dein Stolz beeindruckend und deine Geschichte spannend und wechselvoll. So wie du. Du hast mich gereizt - im positiven wie im negativen Sinne. Du bleibst komplex und ziehst mich deswegen an. Der Schreck vor deiner kommunistischen Diktatur hat sich keinesfalls gelegt, deine Schönheit, deine Freude und deine Anmut werden mich aber morgen über den Ozean nach Europa begleiten. ¡Adiós Cuba!

[Text & Foto: Lennart Berndt.]

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