Altartücher in St. Johannis

Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Unser Gott kommt und schweiget nicht. Psalm 50, 2.

Die Hamburger Künstlerin Maria Fisahn schafft für St. Johannis – Kulturkirche Altona „Altarkleider“ in den liturgischen Farben des Kirchenjahres, violett, weiß, grün und rot.

Antependien schmücken den Altar als feierlichen Ort, entsprechend können sie als Paramente,- das ist der Sammelbegriff für kirchliche Tücher - am Lesepult und an der Kanzel benutzt werden.

Für die protestantische Kirche sind sie seit dem 16. Jahrhundert in Gebrauch. Die Tücher können mit Symbolen oder Darstellungen gestaltet sein. Wichtig, ja verbindlich sind die Farben, die symbolisch das Kirchenjahr abbilden.

Weiß, Licht darstellend, steht für Christus und wird an den hohen Festtagen, an Weihnachten, Ostern und dann bis Trinitatis, dazu am Ewigkeitssonntag aufgelegt.
Violett, das in einer Mischung aus Rot: Menschliches und Blau: Geistiges für Besinnung und Buße steht, wird in der Advents- und Passionszeit in den sieben Wochen vor Ostern und am Buß- und Bettag aufgelegt.
Rot als die Farbe der Liebe symbolisiert die Kraft des dreieinigen Gottes und schmückt zu Pfingsten und am Reformationstag den Altar.
Grün ist die Farbe der Fruchtbarkeit und der Natur, dazu der Hoffnung, des Wachstums und der Reife und bekleidet den Altar in Zeiträumen zwischen hohen Feiertagen, vor allem nach Pfingsten.

St. Johannis hatte ursprünglich ältere Paramente, die nach der Wiederherstellung der Kirche in den 50er Jahren offenbar keine Verwendung mehr gefunden haben und aus dem Gebrauch gekommen sind.

Die Tücher von Maria Fisahn bestehen aus festem Stoff, auf den mehrfach Farben aufgetragen wurde. Die Behandlung macht die Bahnen vergleichsweise stabil, so dass sie über den Altartisch gelegt und gerollt wie Gemälde aufbewahrt werden können. Es sind lange Bahnen, die vor dem Altar den Boden berühren und auch hinter dem Altar herab hängen.
Die Tücher werden von der Künstlerin geradezu „altväterisch“ wie frühere Altargemälde behandelt, so dass sie tatsächlich kostbar sind.
Jede Farbe des Kirchenjahres bildet Maria Fisahn in je vier unterschiedlich gestalteten Objekten ab. Die zahlreichen Farben werden für jede einzelne der 16 Bahnen von Maria Fisahn gemischt, so dass abgetönte Flächen aber auch glimmende und luzide Valeurs entstehen, die den Tüchern ein lebendiges Farbspiel geben. In den Oberflächen entsteht dadurch ein Spiel aus seidigen und leuchtenden Zonen, die das Licht reflektieren vor allem aber in sich aufnehmen und durchscheinen lassen.   

Diese Farbigkeit stellt einen sehr schönen Kontrast zu dem edlen Oberkirchner Sandstein des Altars dar: die Erde - der Sandstein- wird verklärt durch das als „himmlischer Glanz“ eingefangene Licht: Erde und Himmel treffen - oder küssen- sich hier.

Die vier Bahnen der violetten Paramente bekleideten zuerst im Dezember 2015 den Altar. Nach und nach traten die anderen Farben des Kirchenjahres hinzu. Im Gottesdienst am 2. Oktober werden zum ersten Mal alle 16 Antependien gezeigt.

Dieses von Maria Fisahn geschaffene Werk, gleichzeitig Kunst- und Gebrauchsgegenstand, gestaltet einen Altarraum, der durch die Abdeckungen vor den ursprünglich sichtbaren Altarbildern und das an die Seite verlagerte von Johannes Otzen für die Kirche geschaffene Kruzifix einerseits offen, aber auch noch unfertig und in der Komposition nicht abgeschlossen wirkt.

Maria Fisahn im Interview mit Michael Schirmer:

Michael Schirmer: Frau Fisahn, Sie fertigen jetzt Antependien für die St. Johannis-Kirche. In welchem Verfahren stellen Sie die Paramente her?

Maria Fisahn: Ich habe einmal „Kulturenkleider“ geschaffen, und einige davon waren mit goldenen und silbernen Pigmenten bearbeitet. Für die Paramente beginne ich mit einem Stoff, einer langen Bahn, wie mit einer Leinwand ohne Rahmen. Der Stoff wird stabilisiert, fixiert und grundiert. Dann beginne ich, mir die Farbrichtung zu überlegen. Ich baue die Farbgebung von innen nach außen auf, mit Farbpigmenten, die ich auf Acryl- und Ölfarbenbasis selbst anrühre, entscheide, welche Farben als Untergrund dienen, und welche Farbschichten als nächste aufgetragen werden. Ich rolle die Farben mit Strukturrollen schichtweise übereinander in einer Lasurtechnik. Die Farbschichten schimmern dann durch, abhängig vom Lichteinfall.

Michael Schirmer: Ja, es war dieser eigentümliche Glanz, der mich auch schon faszinierte, als ich 1993 Ihre Arbeiten in der Gnadenkirche sah. Das war im Rahmen der von Hartmut Winde organisierten Ausstellung „Antependium. Das Kleid des Altars“. Für die nun entstehenden Arbeiten wollen wir Farbgebungen aufnehmen, die schon in der Kirche vorhanden sind, etwa das schöne glänzende Dunkelgrün einiger glasierter Backsteine. (Foto) Wieviel Zufall ist im Spiel wenn die Farben entstehen?

Maria Fisahn: Ich kann die Farbgebung nur als Richtung ansteuern. Es wird Zufall dabei sein, sonst wäre es langweilig. Durch die sogenannten „Zufälle“, die eine weitere Lenkung der Arbeiten nicht ausschließen, kommt etwas Spannendes dazu, etwas, das einen auf andere Wege bringt. So versetze ich ein Grün mit Perlglanzpigmenten, damit sich das Durchscheinende entwickeln kann. Oder ich unterlege einen Ton mit einer Silbrigkeit, die in den oberen Farbschichten durchschimmert. Ich kann die Farbe nicht kopieren, die auf einem Stein ist, aber ich kann den Farbklang, den Ton ansteuern.

Michael Schirmer: Klang, Farbton...

Maria Fisahn: Ja, das hat viel mit „Sound“ zu tun.

Michael Schirmer: Was inspiriert Sie an dem Ort St. Johannis? Was Sie nun schaffen, wird ja nur für diesen Ort entstehen, ist ein Unikat, das gibt es in dieser Form dann nur dort.

Maria Fisahn: Ich arbeite grundsätzlich spirituell und das schließt Kirchen mit ein. Diese Arbeit wird für mich selber eine spirituelle Arbeit werden, weil eine bestimmte Haltung, eine meditative Einstellung nötig ist, um die Arbeit durchführen zu können. Die Kirche kann ein Ort sein, an dem der Geist seine Ruhe findet und die Menschen zu sich selber zurückkommen können. Insofern ist mir die Arbeit für eine Kirche schon vertraut. Aber als Auftrag ist dies meine erste Arbeit für eine Kirche – abgesehen von den Arbeiten für die Gnadenkirche. Musik allerdings habe ich schon früher in einer Kirche gemacht, mit Klangmembranen, zusammen mit Jazzern.

Michael Schirmer: Sie haben sich mit dem Thema „Altar“ intensiv beschäftigt. Was für ein Ort ist für Sie der Altar?

Maria Fisahn: Der Altar dient als Tisch rituellen Zusammenhängen. Ende der Achtzigerjahre habe ich einen Altar aus einem Hieronymus-Bosch-Bild, die „Hochzeit zu Kana“, nachgebaut. Der hatte allerdings mit Altären, wie man sie aus Kirchen kennt, weniger zu tun. Dieser Altar hatte einen vitrinenartigen Aufbau, auf dem merkwürdige Gefäße standen. Mit der Geschichte des Altars habe ich mich weiter befasst und mir ein Buch angelegt, in dem ich Abbildungen von Altären aus verschiedenen Religionen gesammelt habe. Auf meinen Reisen nach Afrika habe ich die unterschiedlichsten Altäre kennen gelernt.  

Michael Schirmer: Ich komme auf unseren Altar zu sprechen. Mein erster Eindruck war: Der steht ja sehr in einer Randlage. Das hat Gründe, die auch in der Doppelnutzung der Kirche als Gemeinde- und als Kulturkirche liegen. Wie, glauben Sie, werden Ihre Arbeiten auf unserem Altar und in diesem Raum wirken?

Maria Fisahn: Der Altar steht ja nicht im Zentrum des Altarraums. Er soll Raum lassen, für die Dinge, die auch für den Betrieb der Kulturkirche erforderlich sind. Ich glaube, dass der Altar durch die Paramente anfangen kann, im Gottesdienst eine stärkere Präsenz zu bekommen. Die Malereiobjekte wirken sehr stark in den Raum hinein, die Objekte können das. Sie wirken sehr stark in den Raum hinein. Die Farbresonanz dieser Objekte wirkt wie ein Verstärker. Ich habe bei ähnlichen Konstellationen meiner Arbeit beobachtet, dass der Geist der Anwesenden eine Art Zentrierung erfährt. Die Antependien werden den Altar zu einem Zentrum des Gottesdienstes und zu einem Zentrum des Raumes machen.

Michael Schirmer: Die Präsentation der Paramente beginnt ja im Advent mit den violetten Bahnen. Der Titel, der mir in diesem Zusammenhang durch den Kopf ging, lautet: „Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes, unser Gott kommt und schweiget nicht.“

Maria Fisahn: Der Glanz, das Aufleuchten im Licht, ist eine Wirkung der Pigmente. Eine Farbe baue ich aus vielen Farben auf. Ich nenne diese Farbfolgen die Schwärzung, die Weißung, die Rötung... Die einzelnen Bahnen werden nicht identisch sein – wenn sie gleich wären, wären sie uninteressant –, aber dadurch, dass sie in Abhängigkeit voneinander als Farbraum wirken, werden sie zu etwas Besonderem. Es ist eine Farbresonanz, ein Farbraum, eine Raumresonanz, die mit der Architektur zu tun hat. Ich arbeite mit dem Begriff „Energetische Resonanz“, immer in Beziehung zur Architektur, zum Raum. Ein System, in dem alle Teile miteinander schwingen, miteinander in Schwingungsmuster kommen und aufeinander aufbauen.

Ich bin sehr gespannt, wie das in der Kirche aussehen wird, ich glaube: gut.

 

Login