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From The Bottom Of My Heart ...

From The Bottom Of My Heart ...

... oder: Was macht eigentlich Ronja Birk?

 Ronja Birk war seit ihrem fünften Lebensjahr in der Gemeinde aktiv. Kinder-Bibeltage, Krippenspiel, Zeltlager. Freizeiten, Jugendtreff. Ihre eigene Konfirmation im Jahr 2009. Traineekurs, Juleica. Als Teamerin hat sie Maßstäbe gesetzt und bleibt für Generationen von Zeltlager-Kids eine echte Legende.

Dein Social Media Post mit Absolvent*innenhut lässt es erahnen: Du bist fertig mit Studieren?
Ja, vor einer Woche hatte ich meine offizielle Abschlussfeier. Sie hätte eigentlich in Paris stattfinden sollen, war aber jetzt als hybride Veranstaltung organisiert. Ich habe aus Kairo online teilgenommen. Das war der Abschluss von meinen Master.

Gab es auch Präsenz oder nur Home-Uni?
Zum Glück hatte ich noch ein ganzes Jahr in Paris - vor Corona. Das dritte Semester ist als Auslandssemester mit Praktikum angelegt. Der Rest meines Studiums war danach nur noch online möglich. Zusätzlich habe ich ein Gap-Year eingelegt und bin somit seit August 2019 in Kairo.

Wie bist Du hier gelandet?
Für meinen Bachelor war ich zuerst in Nancy und dann bin ich für die letzten beiden Semester nach Alexandria gegangen. Ich hatte in Frankreich angefangen, Arabisch zu lernen und wollte gerne nach Ägypten. Dort habe ich dann hocharabisch und ägyptisch studiert. Das war quasi mein Auslandsjahr für das Grundstudium am Sciences Po College. Das Unisystem ist in Frankreich ein bisschen anders als das in Deutschland. Vereinfacht gesagt, ich habe Sozial- und Politik Wissenschaften studiert. Mein Bachelor hatte einen Schwerpunkt auf Europa Studien: Wirtschaft, internationale Politik und internationales Recht. Das Programm ist mehrsprachig: Deutsch, Englisch und Französisch mit der Möglichkeit, noch eine zusätzliche Sprache zu wählen. Für mich war das arabisch. Meinen Master habe ich an der Paris School of International Affairs in Human Rights (Menschenrechte) gemacht: Humanitarian Action (humanitäre Intervention) mit einem Schwerpunkt auf Nahoststudien.

Warum Ägypten?
Irgendwie war es eine Bauchgefühlentscheidung. Ich hatte natürlich den sprachlichen Zugang, aber auch politisch und kulturell hatte hat mich das Land sehr interessiert. Kairo hatte mich damals noch ein bisschen eingeschüchtert, so habe ich mich erst einmal für das mediterran geprägte Alexandria entschieden. In dem Jahr habe ich viele andere ägyptische Städte besucht. Die Hauptstadt hat mir besonders gut gefallen, kulturell, architektonisch und auch von den Menschen selbst. Die Stadt ist faszinierend und dann habe ich meinen Mann kennengelernt. Er hat in Kairo gewohnt, daher war ich natürlich auch oft dort.

Dann bin ich fürs Studium erst einmal zurück nach Frankreich. Wir haben überlegt, wie unser Zusammenleben praktisch machbar sein könnte, natürlich wollte ich mehr Zeit mit meinem Mann verbringen und nicht dauerhaft eine Fernbeziehung führen. Aus akademischen Gründen hatte ich großes Interesse daran, nach Kairo zurückzugehen. Ich habe mich für verschiedene Praktika beworben und es hat geklappt. Das war in jeder Hinsicht die beste Entscheidung. Einfach mal an einem Ort länger bleiben, auch mehr praktische Berufserfahrung sammeln und für eine Zeit lang einfach mal nur eine Heimat zu haben und nicht ständig Koffer packen zu müssen. Es ist anstrengend, zwischen den Kulturen und Mentalitäten zu wechseln, jedes Land hat seine Eigenarten. Wenn man längere Zeit irgendwo lebt, passt man sich an und der Kulturschock trifft einen, auch wenn man in seine eigene Heimat zurückkehrt. Irgendwie sollte es einfach so sein, dass ich dann hier herkommen.

Und wie geht es jetzt weiter?
Privat ist der nächste große Schritt, nach Europa zu kommen. Daran arbeiten mein Mann und ich schon sehr lange. Ein Visumsantrag ist generell ein langwieriger Prozess. Durch Corona sind die Beschränkung sehr viel schärfer geworden. Mustafa hat jetzt nach 10 Monaten Wartezeit endliche seinen Termin bei der Botschaft. Wenn alles planmäßig verläuft, werden wir im Oktober in Deutschland sein.

Beruflich mache ich gerade ein Praktikum in einer Washingtoner Menschenrechtsorganisation. Ich arbeite für das Büro in Berlin im Bereich Menschenrechtsverletzungen in Bahrain und in den Golfstaaten. Online, hier aus Kairo, versteht sich. Das ist eine gute Ergänzung, denn die politische Situation lässt diese Art von Arbeit in Ägypten nicht wirklich zu und weitere praktische Erfahrung hilft mir bei der Entscheidung, in welchem Bereich ich mich zukünftig engagieren möchte. Wie genau es weitergeht, ist noch nicht ganz klar definiert. Wir wissen auch noch nicht, wo in Europa wir wohnen werden. Aktuell wünsche ich mir in Berlin oder Brüssel als Basis. Aber alles ist offen.

Vermisst du Hamburg?
Eine spannende Frage. Hamburg ist für mich etwas Besonderes. Ein Anker. Ein Ort, der mich sehr stark geprägt hat, auch die Gemeinde. Ich habe vielen Bezugspersonen sehr viel zu verdanken. Die Gemeinschaft der Jugendlichen war wie eine Familie für mich. Die größten Werte, die ich mitgenommen habe, sind Toleranz, Nächstenliebe, Diversität und dass Glaube und Freude an Gemeinschaft zusammen gehören. Ich habe dank meiner Zeit an der Friedenskirche einen positiven Bezug zu Religion und zu Gott bekommen und erst viel später verstanden, dass das ein Privileg und leider nicht selbstverständlich ist. Ich bin stolz darauf, Hamburgerin zu sein. Gleichzeitig merke ich auch, dass ich mir nicht unbedingt vorstellen kann, wieder in Hamburg zu leben. Ich würde es zwar nicht kategorisch ausschließen, aber es fühlt sich einfach nicht mehr richtig an. Es ist, als ob ich in einen Konflikt gerate zwischen der Vergangenheit und dem, was jetzt ist. Es hat sich immer sehr gut angefühlt, Hamburg zu besuchen, aber es war dann auch gut, wieder woanders hinzufahren. Jetzt freue ich mich erst einmal sehr darauf, zurückzukommen und meinem Mann meine Heimat zu zeigen.

Mustafa kennt Hamburg noch nicht?
Ja, er war noch gar nicht in Deutschland. Er kennt vieles aus meinen Erzählungen und natürlich meine Familie und meine Freunde. Durch Corona war nicht viel möglich. Generell ist es schwieriger, als Ägypter zu reisen. Für die Europäer*innen ist es deutlich einfacher. Dadurch, dass wir zwei Nationalitäten haben, ist der gesamte administrative Prozess viel aufwendiger. Wir haben gerade noch alle unsere Papiere bekommen, bevor die Behörden aus Pandemie Gründen geschlossen wurden. Wir hatten schon für letzten Sommer ein Besuch in Hamburg geplant, aber der ist ins Wasser gefallen. Jetzt kann ich es kaum erwarten, dass mein Mann mein Hamburg mit eigenen Augen sehen kann. Als Erstes kommen wir bestimmt nach St. Pauli.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in Dein Leben. Wir freuen uns auf Euch!

[Text: Heike Eberle. Fotos: Privat.]

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