Willkommen Pastorin Melanie Kirschstein

Pastorin und Journalistin

Melanie Kirschstein, 56, ist ab Februar 2017 mit einer halben Stelle neue Pastorin in der Gemeinde Altona-Ost. Sie wird schwerpunktmäßig zusammen mit Irmgard Nauck in der Kirche der Stille arbeiten und auch andere Aufgaben in der Gemeinde übernehmen.

Monika Rulfs: Frau Kirschstein, Sie sind nicht nur Pastorin, sondern auch Journalistin?

Melanie Kirschstein: Ja. Ich wollte eigentlich Journalistin werden. Mich im Schreiben auszudrücken, gehört zu mir. Nach dem Abitur kam ein Praktikum bei der Welt. Dort habe ich mir auch mein Studium verdient. Dann habe ich Radiosendungen gemacht in der Redaktion von Eike Christian Hirsch (bis 1996 Leiter der Redaktion „Religion und Gesellschaft“ im Hörfunk des NDR). „Wenn Du Journalistin werden willst, musst Du studieren, egal was“, sagten damals alle zu mir. Also habe ich Theologie studiert, weil mich das sehr interessierte. Pastorin werden wollte ich eigentlich nicht. Ich habe fürs Sonntagsblatt geschrieben und fürs Amt für Öffentlichkeitsdienst (der damaligen Nordelbischen Kirche) gearbeitet. Nach dem Studium kam das Fernsehen dazu, Sendungen zum Beispiel fürs „Hamburg Journal“. Nach acht Jahren war ich etwas desillusioniert – lange Sendeplätze wurden weniger, längere Hintergrundgeschichten oder Sozialreportagen wurden schwieriger. Ich hatte viel gelernt, viele spannende Geschichten gemacht, aber es war nicht mehr das, was ich auf Dauer tun wollte.

Und dann wurden Sie Pastorin?
1994 habe ich mich entscheiden, ins Vikariat zu gehen. Ich war 34 Jahre alt. Erst hatte es noch etwas experimentellen Charakter. Ich wollte ausprobieren: „Wie geht es mir in der Rolle?“ „Kann ich das, will ich das?“ Es war, glaube ich, auch die Suche nach einem nicht nur außenorientierten, schnellen, effektiven Weg. So hatte ich im aktuellen journalistischen Geschäft lange gelebt – morgens nicht zu wissen, was abends kommt. Im Vikariat an der Christuskirche Eimsbüttel habe ich mich sehr wohl gefühlt. Als Gemeindeprojekt habe ich damals den „Raum der Stille“ aufgebaut. Das Thema „Stille“ zieht sich bei mir durch. Es war wohl auch eine Entwicklung: weg von der Außenorientierung hin zu der Erfahrung, dass die Kraft von woanders her kommt. Gibt es für Sie besondere Räume oder Orte der Stille, die Ihnen wichtig sind? Nicht so sehr äußere Orte. Ich bin schon während der Schule ganz alleine drei Tage ans Meer gefahren, habe nicht gesprochen. Es ist für mich eine Grunderfahrung, dass das gut für mich ist. Besonders dann, wenn es um Dinge geht, die man nicht mehr in der Hand hat, die nicht zu schaffen sind.

Sie sind seit 17 Jahren Pastorin der St. Epiphaniengemeinde in Winterhude. Was ist dort besonders gut gelungen?
(überlegt eine Weile) Wir haben moderne Kirche gebaut, also die Kirche äußerlich und auch innerlich umgebaut. Zum Beispiel haben wir den Kirchraum neu und offener, variabler gestaltet, indem wir die Bänke rausgenommen haben. Gleichzeitig haben wir ein neues Gemeinde- und Gottesdienstkonzept entworfen. Wir wollten, dass die Kirche im Quartier wieder den Menschen gehört, dass sie dort wieder Raum haben für Gemeinschaft und Glauben. Wir haben neue Gottesdienstformen entwickelt: „Kirche für Groß und Klein“ oder die „Sternstunden“-Abendgottesdienste. Aber auch Kindersachenflohmärkte dürfen im Kirchraum stattfinden, oder der Konfirmandenunterricht. Wir wollten, dass man spüren kann, dass Kirche zum Leben gehört.

Was haben Sie heute noch vor?
Heute ist die erste Krippenspielprobe. Es kommen immer richtig viele Grundschulkinder aus dem Stadtteil. Gestern rief ein Vater an. Seine Tochter möchte mitmachen, aber sie ist muslimisch. Er hatte die Befürchtung, sie würde missioniert werden. Naja, ich erklärte, sie müsse immer donnerstags zu den Proben kommen und am Heiligabend da sein, es sei ja nun ein hohes christliches Fest und ein großer christlicher Gottesdienst. Ich musste ein bisschen lachen und habe ihm auch gesagt: „Mehr Mission geht eigentlich nicht, nach meinem Verständnis.“ Aber der Vater war beruhigt. Für ihn hatte Mission etwas mit Zwang und Überstülpen zu tun. Ich finde das schön, wenn wir auf diese offene Weise einladend sind. Das ist für mich eigentlich Mission. Heute werden also die Rollen verteilt. Jeder, der etwas sagen will, kriegt mindestens einen Satz. Ich schreibe die Stücke dann um, wenn ich weiß, wie viele Kinder mit welchen Rollen dabei sind. Dann gibt es auf Wunsch auch sprechende Schafe: „Der Herr ist mein Hirte, mäh!“ – „Mir wird nichts mangeln, mäh!“ Die kleinen Schafe hatten großen Erfolg letztes Jahr. (Es sind 55 Kinder gekommen und es gab 14 Engel, 6 Weise aus dem Morgenland, 4 Hirten, 10 Schafe, davon 5 auf Wunsch sprechende...) Ich glaube, wer einmal mitgespielt hat, der vergisst das nicht mehr. Unser Krippenspiel ist ein bisschen Kult, aber auch manchmal eine echte Dressurnummer! Aber die Kinder mögen es, viele kommen immer wieder. Ist ja auch ein echtes Erlebnis, Heiligabend vor brechend voller Kirche die Weihnachtsgeschichte zu spielen!

Sie haben lange alleine gearbeitet – jetzt wird es ein Team sein. Wie finden Sie das?
Ich stell mir das wunderbar vor, als Pastorin nicht mehr alles allein tragen zu müssen. Natürlich hatte ich auch in Epiphanien ein großartiges Team, aber es war sehr meine Aufgabe, die Gesamtdynamik zu halten, immer sehr wach zu sein, alles im Blick zu haben und zu spüren, wo ist gerade Unterstützung nötig. Das muss ich dann nicht mehr allein. Das finde ich entlastend. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit so kompetenten Kolleginnen und Kollegen. Ich bin auch gespannt, denn wie es dann wirklich wird, weiß ich natürlich nicht.

Was aus der journalistischen Praxis hilft Ihnen bei der Arbeit als Pastorin?
Viel! Als Journalistin lernt man zum Beispiel, „dem Volk aufs Maul zu schauen“. Es geht ja weniger darum, was man selbst zu sagen hat, mehr darum, gut zuzuhören, wahrzunehmen, was Menschen bewegt und was sie brauchen, und Worte zu finden für das Wahrgenommene. Überhaupt Sprache – auf den Punkt zu kommen, Worte zu finden für das, was wirklich wichtig ist. Beim Fernsehen habe ich auch Teamarbeit gelernt. Man muss das, was man sagen will, so vermitteln, dass Kameramann und Tonmann mitziehen. Allein bist Du nichts. Es kommt alles darauf an, die anderen mit ins Boot zu holen und sie
zu motivieren, ihr Bestes zu geben und sich zu engagieren für die gemeinsame Sache. Sonst wird es nichts.

Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich gehe sehr gern ins Theater, freue mich, wenn ich Zeit habe, Bücher zu lesen, spazieren zu gehen, zu wandern oder mich mit Freunden zu treffen.

Wann kommen Sie zu uns?
Ich fange Anfang Februar an. Im Moment geht es erst einmal darum, eine Dienstwohnung zu finden. Das ist leider nicht so einfach und ziemlich anstrengend. Die Gemeinde Altona-Ost und ich suchen eine Dreieinhalb bis Vierzimmerwohnung, ab ca. 85 Quadratmeter, mit Wohnküche und Balkon, sehr gerne Altbau, sehr gerne verkehrsgünstig zur U3 oder S-Bahn Holstenstraße. Meine Tochter Lotta (12) braucht ein Zimmer und mein Sohn Ole (19) mindestens ein Gästezimmer. Wer immer etwas weiß...

Kirschstein 50 kom

Melanie Kirschstein möchte als Pastorin Worte finden für das, was wirklich wichtig ist.

Login